Eine Technologie für etwas, das selbstverständlich sein sollte, aber in der wirtschaftlichen Wahrnehmung immer noch ein Nischendasein fristet: die Rede ist von Barrierefreiheit im Netz.
Rund 500 Kunden nutzen die Software Eye-Able® des Start-ups Web Inclusion GmbH aus dem Fränkischen Margetshöchheim auf mehreren Tausend Webseiten, deutschlandweit und international. Die Lösung richtet sich an Webseitenbetreiber, die die Usability und Barrierefreiheit auf ihrer Seite verbessern wollen, um damit ihre Zielgruppe zu erweitern und sich klar zum Thema Web-Inklusion zu bekennen. Der Software-Service des Teams setzt sich dabei aus drei Teilen zusammen: einer Assistenztechnik, mit deren Hilfe User die Oberfläche einer Webseite an die eigenen Bedürfnisse anpassen können, einer Testsoftware für den rechtlich relevanten Standard der WCAG (Richtlinien für barrierefreie Webinhalte) und aus einem Admin-Bereich, der mittels Graphen den Stand der digitalen Barrierefreiheit visualisiert.
Das Team rund um Oliver und Tobias Greiner, Eric Braun und Chris Schmidt wurde zuletzt mit Preisen überschüttet, vom Kultur- und Kreativpiloten (Externer Link) der Bundesregierung, dem Sieg des Förderprogramms Start?Zuschuss! (Externer Link) der Initiative Gründerland Bayern bis hin zum Sieg im Businessplan Wettbewerb Nordbayern 2022 (Externer Link) von BayStartUP. Medien wie der Bayerische Rundfunk (Externer Link) haben das Thema für ihre Berichterstattung entdeckt.
Wir haben uns mit Chris Schmidt, Co-Founder & CMO bei Eye-Able, darüber unterhalten, welche Herausforderungen Themen wie Inklusion und soziale Geschäftsmodelle für eine Neugründung und den Unternehmensaufbau mit sich bringen.
Was macht eure Geschäftsidee so wichtig?
Viele alltägliche Aufgaben und Dinge finden zunehmend digital statt: einen Termin für einen neuen Personalausweis im Bürgeramt vereinbaren, einen Facharzt finden, Rechnungen bezahlen oder Kontakt zu den Liebsten halten. Mit unserer Technologie erleichtern wir möglichst vielen Menschen den Zugang zu dieser Online-Welt. Wir richten uns dabei nicht nur an Menschen mit (Seh-) Behinderungen, sondern auch mit (sprachlichen) Einschränkungen.
Barrierefrei heißt: jeder kann sich einfach Informationen zum Beispiel im Internet beschaffen – Betonung auf Zugang, es geht nicht um ein rein behindertengerechtes Internet, sondern um ein Internet, das für jeden zugänglich ist. Egal ob mit oder ohne Einschränkung.
Was war eure Motivation, die Software zu entwickeln?
Ein enger Freund war aufgrund seiner schweren Seherkrankung gezwungen, sein Studium vorzeitig abzubrechen. Es gibt einfach noch viel zu große Defizite für Menschen mit Einschränkungen beim Lernen und der Informationsbeschaffung, obwohl Barrierefreiheit hier eine so große Rolle spielt.
Wir statten so viele Bereiche in unserem Leben mit Technologien aus, um uns das Leben leichter zu machen. Warum passiert das im sozialen Bereich noch nicht?
Meine Wahrnehmung ist, dass viele Gründungsinteressierte Angst davor haben, dass man mit sozialen Projekten nicht ausreichend Gewinn machen darf oder kann. Dabei kann die soziale Komponente ein echter wirtschaftlicher Treiber sein: wir zeigen, dass man auch mit einem nachhaltigen und sozialen Geschäftsmodell Unternehmenswachstum vorantreiben kann.
Digitale Barrierefreiheit sorgt in unserem Fall bei unseren Kunden für mehr Umsatz – vom Einzelunternehmen bis hin zu einer ganzen Branche wie dem E-Commerce. Einfach, indem Menschen mit Behinderungen oder anderen Einschränkungen in das Geschäftsmodell und damit als Zielgruppe inkludiert werden. Die Gesellschaft wird immer älter, und die Menschen wollen auch im Alter nicht auf digitale Teilhabe verzichten. Wenn man solche Aspekte hinzurechnet, bekommt man eine annähernde Vorstellung davon, wie hoch die Zahl der Menschen ist, für die ein barrierefreier Zugang zum Internet privat und beruflich wichtig ist oder wird.